Guten Morgen (1912)
Artist: Abraham Zvi Idelsohn (1882-1938)
Lyrics: Rudolf Löwenstein (1819-1891)
Tune: Louis Lewandowski (1823-1894)
Vorbemerkung:
Idelsohn schreibt in der Einleitung zu seinem Liederbuch (1912), dass in den Schulen des Orients, wo man Deutsch als Kultursprache unterrichtet, die deutsche Liedersammlung zusammen mit der hebräischen angeboten werden soll.
Es sind „Lieder für Schule und Haus, Lieder vom Tages- und Jahreslauf, Wiegen-, Natur-, Marsch- und Gelegenheitslieder in allgemein bekannten Melodien und Kompositionen berühmter Musiker.“
Für die Auswahl einiger Lieder, vor allem die deutsch-patriotischen Nr. 27 und 28, trifft seine weitere Bemerkung zu: „Um auch den Bedürfnissen der höheren Lehranstalten zu genügen, wurden einige Studentenlieder“ eingereiht.
Die Gleichzeitigkeit hebräischer und deutscher Lieder ist die Summe des musikforschenden Lebens und der daraus entstandenen pädagogischen Ideen, wie sie im Vorwort von Dr. James Simon und Dr. P. Nathan genannt werden.
Musik in ihrer Vielfalt auf einem traditionell deutsch-sprachigen Fundament lernte er 1901 in Berlin am Stern-Konservatorium und in Leipzig am dortigen Konservatorium, das 1843 von Mendelssohn gegründet worden war. Zur Zeit der Herausgabe des deutsch-jüdischen Liederbuches lebte Idelsohn in Jerusalem.
Der Verfasser schrieb zu jedem Lied der deutschen Abteilung des Liederbuches biografische Angaben zu Dichtern und Komponisten. Wenn es nach dem heutigen Wissensstand Änderungen dazu gibt, dann finden die sich in der Neuausgabe bei Schott ED 23606. Fragen geben die öfters alleinstehenden Jahreszahlen vor Dichter- oder Musikernamen auf. Sie stehen in Zusammenhang mit seinen ausgewählten Quellen. In der Einleitung zum Liederbuch schreibt er: „Bei der Anordnung des Werkes habe ich mir ähnliche Liederbücher in nichtjüdischer Sprache zum Vorbild genommen“. Die Bedeutung dieser einzelstehenden Jahreszahlen erschließt sich beim Lied Nr. 5. Sie beziehen sich auf die jeweils danach stehende Namensnennung. Der Betreff ist wohl das Jahr der Ersterscheinung oder Erstveröffentlichung des Fundortes in einem damaligen Liederbuch. So erfolgt bei Nr. 5 nach der Angabe für den Chorleiter „Langsam und getragen“ weit rechts gesetzt die Jahreszahl 1825, durch einen Endpunkt abgesetzt. Dann folgen die Nennung des Komponisten Friedrich Kuhlau und seine Lebensdaten 1785-1832. Kuhlau hat dieses Gedicht aber in der Nachdichtung des Johannes Daniel Falk aus dem Jahre 1817 genommen. Das ergibt sich aus den Hinweisen unter der letzten Liedzeile. Idelsohn schreibt: „1817. Johannes Daniel Falk, 1768-1826 (Nachdichtung)“. Idelsohn kannte aber auch die Quelle und schreibt hinzu: „Original 1780 von Wolfgang von Goethe, 1749-1832.“
Kuhlau war 40 Jahre alt, als er diese Dichtung in Musik umsetzte und Daniel Falk veränderte minimal im Alter von 49 Jahren das Original des damals 68jährigen Goethe.
Für Idelsohn hatte diese ausgewählte Quelle bereits ein Alter von 87 Jahren. Das Lied ist aber bis heute zeitlos und ansprechend geblieben.
Die folgenden weiteren Hinweise zu Leben und Wirken der Dichter und Komponisten stammen zusammengefasst aus Wikipedia.
Für ein heutiges Verständnis dieses einzigartigen deutsch-jüdischen Liederbuches gibt die Direktorin des Musikarchivs der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem, Dr. Gila Flam, im Vorwort bei Schott ED 23606 wertvolle Hinweise zum Stand der Musikwissenschaft.
Die folgenden erweiterten Angaben zu Dichtern und Komponisten der Lieder können Lehrkräften und Chorleitern Hilfe geben zu einer kulturhistorischen Einordnung der Texte und Melodien.
Manche Texte sind nur aus ihrer Zeit heraus, der Lebens- und Wirkungszeit Idelsohns um die Jahrhundertwende um 1900, zu verstehen.
I Im Tageslauf
1. Guten Morgen
Johann Rudolf Sigismund Löwenstein, 1819 in Breslau geboren und 1891 in Berlin gestorben, wird als „deutscher humoristischer und politischer Schriftsteller jüdischer Herkunft“ (wiki 2022) genannt.
In seiner reichen literarischen Produktion wurden zu Lebzeiten schon die „Kindergarten-Gedichte“ gelobt.
Die fünf Strofen des vorliegenden Liedes erzählen sehr bildhaft den beginnenden Morgen mit Sonne, Tieren, Glockengeläut und letztlich dem Dank an den Schöpfer. Jede Strofe hat den gleichen Refrain „Guten Morgen“ dreifach genannt.
Der Komponist Louis Lewandowski wurde 1823 in Wreschen, Provinz Posen, damals Preußen, geboren und starb 1894 in Berlin. Er war ein deutsch-jüdischer Musiker, dessen Arbeit für die jüdische Liturgie so beachtenswert war und ist, dass seit 2011 wieder in Berlin ein Festival mit seinem Namen stattfindet (wiki 2022). Manfred Keller schreibt im Büchlein „Jüdische Miniaturen“, das er dem Leben und Wirken Erich Mendels widmet (2022), dass Lewandowski mit 13 Jahren nach Berlin ging, im Chor des Kantors Ascher Lion singen durfte, das Gymnasium besuchte und von der Familie Mendelssohn unterstützt wurde. Er war der erste jüdische Musikstudent an der Akademie der Künste in Berlin. 1840 wurde er Chordirigent an der Alten Synagoge, 1866 an der Neuen Synagoge, eine der größten ihrer Zeit, die auch eine Orgel hatte. Als Musikdirektor wurde er „Mendelssohn der Synagogenmusik“ genannt und bildete am jüdischen Lehrerseminar Generationen von Kantoren aus.
Otto Girschner (Repetitorium der Musikgeschichte, 1939(!) ) erwähnt ihn überdies als „Mitbegründer der Pensionsanstalt des Allgemeinen Deutschen Musikerverbandes“.
Idelsohn lässt sein Liederbuch mit einem Morgenlied beginnen. Es hat einen Dreier-Rhythmus und steht in D-Dur. Wenn der Anfangston, das tiefe a, den singenden Kindern zu tief und damit stimmschwach war, konnte der Chorleiter auch mit der hohen Oktave beginnen lassen.
Die Melodie besteht aus zwei fast identischen Hälften, denen der Refrain angehängt wird.
Die Terzenläufe sind für Kinderchöre durchaus anspruchsvoll.
Included in
Scores
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